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Im Shiatsu werden Himmel und Erde verbunden – aber was hat das mit Corona zu tun?

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Felicitas Anthamatten

Liebe Klientinnen und liebe Klienten
Liebe interessierte Leser und Leserinnen

Heute schreibe ich nicht selber.
Ich möchte stattdessen einen Shiatsu-Kollegen aus Deutschland zu Wort kommen lassen. Er heisst Joachim Schrievers. Er ist Shiatsu – Therapeut, ein angesehener Shiatsu – Lehrer und Autor eines Buch über Shiatsu und Qi Gong.
Folgenden Artikel hat er vor ein paar Wochen verfasst und im Shiatsu Journal Deutschland veröffentlicht. Er spricht mir aus dem Herzen. Seine Gedanken und Worte könnten aktueller nicht sein.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie mit offenem Herzen und Auge die Worte in sich aufnehmen und Ihren nachfolgenden Gedanken freien Lauf lassen können.

Es grüsst Sie 

Ihre Shiatsu-Therapeutin
Felicitas Anthamatten

Joachim Schrievers:

Im Shiatsu werden Himmel und Erde verbunden – aber was hat das mit Corona zu tun?
Liebe Ulrike Haffke, du hast dich gewundert, dass in dieser von Corona geprägten Zeit so wenige Beiträge zum Thema Covid 19 eingegangen sind, obwohl uns dieses Thema alle in verschiedener Weise betrifft.
 Viele von uns dürfen nicht arbeiten, obwohl wir das Gefühl haben, dass gerade Shiatsu Menschen in dieser so schwierigen Zeit stärken und helfen könnte. Vielleicht sind zu diesem Thema so wenig Artikel zu dir gekommen, weil es ein so komplexes Thema ist, vielleicht aber auch, weil man sich da ganz schnell, egal in welche Richtung man Stellung bezieht, in die Nesseln setzen kann. Durch die Gesellschaft, durch Familien und auch durch die Shiatsu-Gemeinschaft gehen tiefe Gräben, die die verschiedenen Lager voneinander trennen. Es gibt so viele Aspekte, so viele Perspektiven, aus denen man das Thema Corona betrachten kann, dass es kaum möglich ist, zu einer klaren und schon gar nicht eindeutigen Beurteilung zu kommen. 

Da ist das Leid der Familien, die einen oder sogar mehrere Angehörige durch Corona verloren haben, ihn oder sie nicht besuchen und betreuen durften; da sind die Menschen, die unter den Maßnahmen leiden, Depressionen entwickeln, gewalttätig werden oder am Rande eines Burnout stehen und da sind die Restaurantbesitzer, Künstler und wir Shiatsu-Praktiker*innen, die seit Monaten nicht arbeiten dürfen und vor dem finanziellen Ruin stehen und und und…Wer die Augen nicht verschließt und das alles an sich heranlässt, wird vielleicht Ideen haben, wie man es besser machen könnte als es die Verantwortlichen tun, aber einfache Lösungen für das ganze Problem wird es wohl kaum geben. Wesentlich einfacher wird es, wenn wir die Augen vor dem Einen oder Anderen verschließen, wenn wir in unserem Kopf aus der Pandemie eine normale Grippe machen, wenn wir die über die Mattscheiben laufenden Bilder aus den Intensivstationen für inszeniert halten, wenn wir zwar die zahlreichen Folgen der Maßnahmen sehen, aber nicht die Folgen einer ungebremsten Pandemie ohne Maßnahmen oder umgekehrt die Folgen einer ungebremsten Pandemie, aber nicht die Folgen, die die Maßnahmen für viele Menschen haben. Ich habe den Eindruck, dass die „Corona-Gräben“ unter den Menschen nicht aus unterschiedlichen Meinungen zu dem Thema entstehen, sondern aus dem „Teilverschließen“ der Augen. Nicht die Meinungen stoßen aufeinander, sondern die Bilder, die wir uns von der Wirklichkeit machen. 
Die Wissenschaft, die sich als Werkzeug vor allem des Verstandes bedient, erhebt den Anspruch, die Welt und die Vorgänge in der Welt objektiv zu betrachten. Das hat uns zweifellos aus manchem düsteren Kapitel unserer Geschichte herausgeführt. Wir verbrennen keine Hexen mehr auf Scheiterhaufen, wissen, dass die Erde sich um die Sonne dreht und nicht umgekehrt und die Psychologie hat uns gelehrt, dass Vieles von dem, was wir in anderen Menschen und in der Welt sehen, die Projektion unseres eigenen – z.T. verdrängten – Bewusstseins ist. Natürlich macht auch die Wissenschaft Fehler und das weiß sie auch. Deswegen hat sie Mechanismen entwickelt, die dazu führen, dass die Fehler als Fehler erkannt und dann korrigiert werden.

So veröffentlichen Wissenschaftler ihre aus Studien bezogenen Erkenntnisse zunächst im Kreise der Kollegen, die dann einen kritischen Blick darauf werfen, die Aussagen prüfen und, wenn gravierende Fehler gemacht wurden, darauf hinweisen. So funktioniert seriöse Wissenschaft. 
Nun gibt es aber – und auch das gehört zum Corona-Problem – auch Wissenschaftler, die sich diesen Weg der wissenschaftsinternen Diskussion ersparen und mit ihren Theorien gleich an die Öffentlichkeit treten. Wenn ihre Aussagen dann das „Bauchgefühl“ vieler Menschen treffen, entsteht schnell eine große und energiereiche Bewegung, die aber den Pfad seriöser Wissenschaft verlassen hat. Und hier wird es schon wieder schwierig. Im Shiatsu folgen wir unserem „Bauchgefühl“, unserer Intuition, unserem energetischen Gespür und erleben damit zuweilen wundersame und überaus positive Entwicklungen. Während die Wissenschaft von außen betrachtet, den zu untersuchenden Vorgang ob-jektiviert, also gegenüberstellt, tauchen wir ganz ein und begreifen im Erleben. Das sind zwei Arten des Erkenntnisgewinns, die gerne aufeinanderprallen und doch eigentlich nicht alternativ, sondern komplementär sein sollten. Wenn wir im Shiatsu den Körper berühren, berühren wir den irdischen Anteil des Menschen, der begrenzt ist in Zeit und Raum und der den irdischen Gesetzen unterliegt. Zu den irdischen Gesetzen gehört z.B. die Schwerkraft, deren Existenz uns mit zunehmendem Alter spürbar wird und die in unserem Bewegungsapparat Spuren hinterlässt. Zu unserem irdischen Sein gehört die Vergänglichkeit, die Endlichkeit und die Begrenztheit, unser Unvermögen, kurz: alles, was der Tatsache geschuldet ist, dass wir Menschen und keine Götter sind. 


Wenn wir im Shiatsu den Körper berühren, berühren wir den irdischen Anteil des Menschen, der begrenzt ist in Zeit und Raum und der den irdischen Gesetzen unterliegt. Zu den irdischen Gesetzen gehört z.B. die Schwerkraft, deren Existenz uns mit zunehmendem Alter spürbar wird und die in unserem Bewegungsapparat Spuren hinterlässt. Zu unserem irdischen Sein gehört die Vergänglichkeit, die Endlichkeit und die Begrenztheit, unser Unvermögen, kurz: alles, was der Tatsache geschuldet ist, dass wir Menschen und keine Götter sind. 

 

Wenn wir im Shiatsu den Körper berühren, geht es aber nicht in erster Linie um den Körper, sondern um das Leben im Körper, die Lebensenergie, das Ki. Kommen wir mit dem Ki und dem Leben in Kontakt, so betreten wir einen Raum, den wir als unbegrenzt erleben, unbegrenzt in Zeit und Raum. Hier erleben wir – zumindest in Glanzstunden – wirklich Wundersames, manchmal Veränderungen, die weder unsere Klient*in noch wir selbst für möglich gehalten hätten. Da begegnet uns ein Stückchen Himmel mit seinen unendlichen Möglichkeiten.

Die Kunst im Shiatsu ist, Endlichkeit und Unendlichkeit als wesentliche Aspekte unseres Daseins harmonisch miteinander zu verbinden, im Erleben des Irdischen das Unbegrenzte und im Erleben der Unbegrenztheit das Irdische und die damit verbundenen Gesetze nicht zu vergessen. Beim Thema Corona stoßen diese beiden Welten oft auf unversöhnliche Weise aufeinander. Da sind die Endlichkeit und die Angst vor der Endlichkeit, genährt durch die Zahlen und Bilder, die uns täglich in den Medien präsentiert werden. Und da ist der Glaube an die Unendlichkeit, an unsere Unverletzlichkeit und Unzerstörbarkeit, an die positiven Potenziale, die sich entfalten können, wenn wir nur daran glauben. In einer christlichen Glaubensgemeinschaft, so, erfuhr ich aus erster Hand, singt man fröhlich miteinander, weil, wer an Christus glaubt, sich nicht infizieren kann. Glaube, Überzeugung und Wirklichkeit haben hier einander aus den Augen verloren. Die Wissenschaft beschäftigt sich mit dem Irdischen, mit dem, was man sehen und anfassen kann, und streckt erst gerade ihre Fühler in den Bereich des Ungreifbaren aus. Die Grundlage dafür bietet die Quantenphysik, die uns aufzeigt, dass die Welt nicht so einfach funktioniert, wie es uns die Newtonsche Physik gelehrt hat. Und trotzdem ist klar: Auch wenn der größte Quantenphysiker stolpert, können wir mit den Newtonschen Fallgesetzen bis auf die Millisekunde genau berechnen, wie lange es braucht, bis seine Nasenspitze die Erde berührt. Ich würde mir wünschen, dass wir es in unserer Shiatsugemeinschaft schaffen, alle Aspekte des Corona-Geschehens zu sehen. Dann sind wir wegen der Komplexität vielleicht ratlos, können aber trotzdem im Vertrauen sein, einem Vertrauen, das seinen Ursprung nicht in vereinfachenden Lösungsansätzen hat, sondern in der Mitte des Herzens.

Achim Schrievers

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